Kurt Franchy, Pfarrer i.R., ist tot. Er starb am 7. Juli 2021 nach langer Krankheit im Alter von 86 Jahren. Der Hilfsverein der Siebenbürger Sachsen „Adele Zay“, dessen Vorsitzender er 25 Jahre war, das Wohn- und Pflegeheim Haus Siebenbürgen, die Eisenburger Stiftung sowie die Kreisgruppe Drabenderhöhe des Verbandes der Siebenbürger Sachsen trauern gemeinsam mit der Familie um einen wertvollen Menschen, dem die Gemeinschaft viel zu verdanken hat. Die Trauerfeier für den Verstorbenen findet am Mittwoch, 14. Juli, 11 Uhr, in der evangelischen Kirche in Drabenderhöhe statt. Anschließend ist die Beisetzung auf dem Friedhof.
Mit Weitblick lenkte Franchy die Geschicke des Hilfsvereins und zeigte Verantwortung in der Trägerschaft des Altenheims. Unter seinem innovativen Vorsitz wurden der Turm der Erinnerung, die Kapelle und der Glaspavillon errichtet sowie mit einer Aufstockung des Altenheims ein neuer Wohnbereich geschaffen. Er war Gründungsmitglied der Eisenburger Stiftung, die sich insbesondere der Betreuung und Pflege von dementen Bewohnern einsetzt. Franchy war nicht nur immer besonders um das Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner des Altenheims auf der letzten Station ihres Lebens bemüht, auch die Kinder lagen ihn am Herzen. Das zeigte sich als der Hilfsvereins 1995 von der Stadt Wiehl die Trägerschaft des Adele-Zay-Kindergartens übernahm.
Aufgrund guter und fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen dem Verstorbenen, dem Hilfsverein und der Kreisgruppe Drabenderhöhe entstand im Haus Siebenbürgen ein Zentrum siebenbürgisch-sächsischer Kultur. Die wöchentlichen Gottesdienste in der Kapelle und die vielen anderen Veranstaltungen auch rund um den Turm der Erinnerung ließen und lassen das Altenheim zur Begegnungsstätte werden.
Der im Februar 1978 aus Siebenbürgen ausgesiedelte Kurt Franchy kam im Oktober 1978 als Pfarrer in die evangelische Kirchengemeinde Drabenderhöhe, war zuständig für den Pfarrbezirk 2. Während dieser Tätigkeit bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1994 machte er sich stark für das Zusammenfinden der alten und neuen Gemeindeglieder, bemühte sich im Altdorf um Verständnis für die siebenbürgischen Traditionen sowohl im kirchlichen als auch im gesellschaftlichen Umfeld. Das soziale Miteinander war ihm ein besonderes Anliegen. Er griff ein, wenn er es für richtig und nötig hielt. Nach mehreren schweren Verkehrsunfällen (auch mit tödlichem Ausgang) im Kreuzungsbereich der Siedlung setzte sich Franchy vehement für den Bau des heutigen Kreisels ein. Seitdem gab es im sogenannten „Franchy-Kreisel“ keine tödlichen Unfälle mehr.
Kurt Franchy wurde am 5. Mai 1935 in Bukarest als erstes von vier Kindern geboren. Die ersten zehn Lebensjahre mit seinen Eltern Viktor Franchy und Wilhelmine, geborene Benischek, in Bukarest, Bistritz und Großwardein waren eine glückliche Zeit. Der Zweite Weltkrieg und die folgende Evakuierung der Nordsiebenbürger im Herbst 1944 veränderten sein Leben nachhaltig. Schon auf der Flucht musste der Neunjährige durch Beschaffung von Lebensmitteln Verantwortung übernehmen. Dieses frühe Verantwortungsgefühl für seine Familie prägte auch sein späteres Leben. Die angeordnete Rückführung nach Siebenbürger geschah auf geradezu abenteuerliche und lebensbedrohliche Weise. Den Vater, der 1945 in amerikanische Gefangenschaft geriet, sah die Familie erst 1956 wieder.
Um die Familie mit den inzwischen vier Kindern zu entlasten, lebte Kurt Franchy von 1945 an bei einer Schwester seiner Mutter in Bukarest. Obwohl er seine Ferien immer in Bistritz bei der Mutter und seinen Geschwistern verbrachte, belastete ihn diese Trennung ein Leben lang. Zugleich erinnerte er sich immer gerne an seine Bukarester Zeit, an seine Lehrer und Freunde.
Die Zeit großer wirtschaftlicher Entbehrungen, der Bedrängnis und der materiellen Armut machten aus dem Verstorbenen einen ernsthaften jungen Mann, der seine Zukunft im christlichen Glauben sah. Als Theologiestudent lernte er Renate Bell, Tochter des Zeidner Stadtpfarrers Richard Bell und dessen Ehefrau Magdalene kennen, die er im Oktober 1959 heiratete. Im November 1960 wurde Tochter Ortrun geboren und im Februar 1962 Tochter Agnes-Beate.
Im Mai 1960 kam Franchy unter schwersten Bedingungen in ein Arbeitslager nach Calan, das Ende März 1961 aufgelöst wurde. Danach arbeitete er als Pfarrer in Wallendorf und ab 1965 war er Stadtpfarrer in Bistritz. 1974 erfolgt die Wahl zum Bezirksdechant von Nordsiebenbürgen, der mit Ende des Jahres 1977 aufgelöst wurde. Im Februar 1978 folgt die Aussiedlung nach Deutschland und im Herbst der Amtsantritt in Drabenderhöhe. Bis zu seinem Tod lebte er mit Ehefrau Renate in Hillerscheid im eigenen Haus. Beide pflegten einen großen Freundeskreis.
Neben seinen zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten in Drabenderhöhe war Franchy unter anderem noch Vorsitzender des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen, Vorsitzender der Muresanu-Stiftung, die im siebenbürgischen Hermannstadt ein Schülerwohnheim fördert, in dem Deutsch gelehrt, gesungen und gebetet wird. Außerdem war er von 1994 bis 2004 Sprecher der Bistritzer Gemeinschaft. 1981 entstand unter seiner Leitung die Gemeinschaft der aus Siebenbürgen ausgesiedelten Pfarrer mit dem Ziel deren Integration zu fördern.
Ausgezeichnet für seine Verdienste wurde er unter anderem mit dem silbernen Wiehltaler, dem Diakonie-Kreuz in Gold, der Stephan-Ludwig-Roth-Medaille und vom Verband der Siebenbürger Sachsen mit dem „Goldenen Ehrenwappen“.
Ursula Schenker